Datenregulierung für ein nachhaltiges Berlin

Rechtspolitische Hintergründe für die szenarienbasierte Bewertung von Regulierungsansätzen
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Dieses Arbeitspapier entwickelt eine konzeptionelle Grundlage für die weitere Untersuchung von Möglichkeiten einer nachhaltigen Datenregulierung für Berlin im Vorhaben „Datenregulierung und -governance für ein nachhaltiges Berlin“ im Forschungsverbund Ecornet Berlin. Die Frage nach den richtigen Rahmenbedingungen für die Governance von Daten – also nach den Regeln für die Praktiken oder Verfahren, die bestimmen, wer Daten in welcher Weise und für welche Zwecke nutzen kann – wird seit einiger Zeit in den verschiedensten Zusammenhängen diskutiert. Wichtige rechtliche Weichenstellungen für solche Regeln werden in allernächster Zeit gestellt. Die Regulierung der Datenökonomie wird dabei zwar vielfach als Schlüsselfrage für wirtschaftliche Entwicklung, für Forschung, Bürgerrechte und eine europäische Souveränität begriffen. Die Anforderungen, die aus sozial-ökologischer Perspektive an die Regeln und institutionellen Strukturen einer Datengovernance zu stellen sind, werden dagegen noch nicht genügend reflektiert und untersucht.

Dabei tritt die Notwendigkeit einer an Nachhaltigkeitszielen orientierten Steuerung der digitalen Transformation immer deutlicher zutage. Digitale Technologien sind besonders wirksame Instrumente, um bestimmte Ziele oder Interessen zu erreichen. So wie diese Technologien, werden sie im Sinne sozial-ökologischer Ziele eingesetzt, einen hocheffektiven Werkzeugkasten für die dringend nötige Nachhaltigkeitstransformation bilden könnten, führen falsche Weichenstellungen zu möglicherweise schwerwiegenden und ordnungsrechtlich kaum einzuhegenden Umweltproblemen.

Den Ausschlag dafür, ob sich sozial-ökologische Positivszenarien, oder Befürchtungen hinsichtlich einer Verstärkung und Beschleunigung zerstörerischer Wachstumsdynamiken durch die Digitalisierung verwirklichen, gibt nicht zuletzt die Regelung von Zugangs-, Nutzungs- oder Verwertungsrechten an Daten. Ihre nachhaltigkeitspolitische Relevanz lässt sich an zwei übergeordneten Funktionen einer solchen Datenregulierung verdeutlichen. Zum einen sind Entscheidungsrechte und Kontrollmöglichkeiten über den Einsatz von Daten eine notwendige Bedingung für nachhaltigkeitspolitische Handlungsfähigkeit: Weder umweltrechtliche Vorgaben zum Energie- oder Ressourceneinsatz digitaler Anwendungen noch eine „grüne Beschaffung“ von Hard- oder Software, oder eine vorsorgliche Kontrolle vielleicht risikoträchtiger Algorithmen lassen sich ohne einen Zugang der zuständigen Stellen zu relevanten Daten machen. Auch eine Wirtschaftsförderung, die lokale und nachhaltige Akteure stärken will, muss einen Fokus auf den Zugang dieser Akteure zu relevanten Daten legen, schon um ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber den allgegenwärtigen Angeboten „datenreicher“ Konzerne zu ermöglichen. Zum anderen hat die Datenregulierung auch eine qualitative Funktion: Daten, als maßgeblicher „Input-Faktor“ digitaler Systeme, haben in ganz grundlegender Hinsicht Einfluss darauf, ob sich digitale Systeme an sozial-ökologischen Funktionalitäten und Notwendigkeiten orientieren, oder in potenziell schädlicher Weise wirksam werden. Gerade aus sozial-ökologischer Perspektive macht es einen entscheidenden Unterschied, ob Daten dafür erhoben und eingesetzt werden, Konsumpräferenzen oder die Wachstumsaussichten von Konzernen zu optimieren, oder ob eine am Gemeinwohlorientierte Governance von Daten über das „wie“ und „wofür“ des Einsatzes datengetriebener Anwendungen oder Geschäftsmodelle entscheidet.

Vor dem Hintergrund der sozial-ökologischen Bedeutung einer Regelung der Datennutzung werden im vorliegenden Papier drei Idealtypen der Datenregulierung analysiert, die Rechte an Daten in ganz unterschiedlicher Weise begreifen: Ein prominenter Vorschlag, der private Verfügungs- oder Verwertungsrechte an Daten rechtlich verankern will, die Idee, Daten als öffentliche Güter zu verstehen, sowie die alternative Konzeption, Datenrechte als individuelle Rechte auf Inklusion und bürgerliche Mitgestaltung des Gemeinwesens zu begreifen.

In Anbetracht der Vielfalt unterschiedlicher Funktionen und Anwendungskontexte datengetriebener Technologien wird auch eine sozial-ökologisch informierte Datenregulierung keinem dieser Idealtypen in Reinform entsprechen, sondern – in Abhängigkeit von den betroffenen Sektoren und Akteurskonstellationen – Mischformen mit unterschiedlichen Schwerpunkten beinhalten. Gerade eine kommunale Datenregulierung könnte sich aber besonders gut dazu eignen, Möglichkeiten der Datenregulierung zu erproben, die sich an gesellschaftlichen Werten und Bedürfnissen ausrichten und dabei auch echte Partizipation und Mitgestaltung der digitalen Transformation durch die Bürger*innen ermöglichen. Regulierungsvorschläge, die eine proaktive und an konkreten Zielen der Datennutzung ausgerichtete „Datenspende“ institutionalisieren sollen, könnten einen Weg aufzeigen, eine nachhaltige und inklusive Datengovernance im kommunalen Raum zu regeln.

Datum der Veröffentlichung

Ergebnistyp

Bericht

Autorenschaft

Peter Gailhofer

Veröffentlicht in

Wissen. Wandel. Berlin. Report 18

Projektmitarbeiter*innen

Forschungspartner

Schlagworte

Digitalisierung, Smart City, Berlin, Umweltrisiken, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Umweltziele, Datenregulierung, Datenökonomie, Datengovernance, Datenrechte, Datengovernance-Verordnung, Datentreuhänder, Dateneigentum, Data-Sharing