In Berlin gibt es eine rege Szene alternativen Wirtschaftens. Was die Akteur*innen vereint, ist ihr Fokus auf soziale und ökologische Ziele. In der Praxis stehen ihnen jedoch Hindernisse im Weg, etwa der Mangel an (bezahlbaren) Räumen oder passenden Finanzierungsmodellen, Konkurrenz- und Preisdruck oder rechtliche Hürden. Wie können alternative Wirtschaftsweisen in Berlin gefördert werden? Im Workshop „Alternatives Wirtschaften in Berlin: Status quo und Potenzial“ diskutierten Vertreter*innen verschiedener Berliner Netzwerke und Institutionen auf Einladung des Forschungsverbunds Ecornet Berlin am 31. August 2021 über ihre aktuellen Herausforderungen. Fazit: Alternative Wirtschaftsweisen verfügen über ein großes sozial-ökologisches Potenzial, stehen aber auch erheblichen Hindernissen gegenüber; daher bedarf es neuer Strategien und Förderansätze.
Alternative Wirtschaftsweisen in und für Berlin
Der Kreis der Teilnehmenden versammelte Expertise und praktische Erfahrungen in zahlreichen alternativwirtschaftlichen Strömungen: von Social Entrepreneurship und Genossenschaften über Commons, feministischer Ökonomie und solidarischer Ökonomie bis zur Gemeinwohlökonomie. Der Workshop war Teil des Projektes „Alternative Wirtschaftsweisen in und für Berlin“, in dem die Vielfalt der Ausprägungsformen alternativen Wirtschaftens anhand ausgewählter repräsentativer Fallstudien untersucht wird. Zu den porträtierten Unternehmen gehören neben anderen die ökologische Suchmaschine Ecosia und das größte Frauenzentrum Europas, die Schokofabrik.
Projektleiter Dr. Christian Lautermann vom IÖW präsentierte die im Projekt entwickelte Konzeption alternativen Wirtschaftens, die den Akzent auf die Vielfalt der Alternativen und ihr sozial-ökologisches Transformationspotenzial legt. Eine im Workshop zentral diskutierte Möglichkeit diese Vielfalt abzubilden, besteht darin, verschiedene ökonomische Ebenen zu differenzieren, auf denen alternative Unternehmen ansetzen – z. B. die formelle Organisation oder Marktbeziehungen. Das bedeutet: Alternativen sind nie allumfassend, sondern die Unternehmen kombinieren die alternativen Aspekte immer mit konventionellen. Diese Herangehensweise stieß bei den Teilnehmenden auf Zustimmung.
Dabei stellte sich heraus, dass alternative Unternehmen eine Brückenfunktion einnehmen können: Sie stehen nicht abseits in einer Nische, sondern zeigen auf, wie sich Utopie mit den praktischen Anforderungen im Hier und Jetzt verbinden lässt. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass Alternativen immer kritisch dahingehend untersucht werden müssten, inwiefern sie einen echten Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme leisten – oder ob sie Pseudolösungen darstellen und Widersprüche zwischen Anspruch und Wirkung beinhalten.
Hindernisse für Akteure alternativen Wirtschaftens in Berlin
Die Auswertung der Fallbeispiele ergab, dass sich aus der Art und Weise, inwiefern „alternativ“ gewirtschaftet wird, unterschiedliche Herausforderungen ergeben. Ehrenamtliche Strukturen in selbstverwalteten Organisationen etwa können solche Gruppen ausschließen, die nicht über die Ressourcen verfügen, unbezahlte Arbeit zu leisten. Ein explizit nicht wachstums- oder profitorientiertes Geschäftsmodell kann zudem die zur Verfügung stehenden Finanzierungsmöglichkeiten einschränken.
Auf rechtlicher Ebene stoßen alternativ wirtschaftende Unternehmen ebenfalls an Grenzen, etwa wenn keine passende Rechtsform für die Ansprüche der hierarchiefreien Zusammenarbeit und dem Vorrang ihres sozial-ökologischen Zwecks existiert. So beinhaltet alternatives Wirtschaften auch die politische Forderung und das praktische Erproben neuer Unternehmensformen. Aktuelles Beispiel ist der Vorschlag einer neuen Rechtsform für Unternehmen, die unter dem Begriff „Verantwortungseigentum“ diskutiert wird. Ziele dabei sind, Gewinne und Vermögen langfristig für die Unternehmensentwicklung zu binden und Übernahmen zu verhindern.
Die Expert*innen unterstrichen die Bedeutung materieller Ressourcen, allen voran Räume – Orte, an denen sie arbeiten können. Durch die angespannte Lage auf dem Immobilienmarkt in Berlin sei die Initiierung von Projekten wie dem Frauenzentrum Schokofabrik deutlich schwieriger geworden.
Strategien und Förderansätze
Als Strategien, wie Akteur*innen selbst den Barrieren und Hemmnissen begegnen können, nannten die Teilnehmenden insbesondere solidarische Finanzierungsmodelle, die auch rechtlich gestärkt werden sollten. Hierbei ließe sich von den Erfahrungen im europäischen Kontext lernen wie den Community Development Trusts, revolvierenden Kreditfonds, Kreditgenossenschaften oder Time Banks. Solche alternativen Finanzierungsinstrumente sollen es ermöglichen, dass auch nicht wachstums- und profitorientierten Unternehmen genügend finanzielle und andere Ressourcen zur Verfügung stehen. Über die Finanzierung hinaus sollte weiterhin auch Vernetzung, politische Lobbyarbeit, Aufklärungs- und Bildungsarbeit gestärkt werden.
Die Ergebnisse des Workshops ergänzen die bisherigen Forschungsergebnisse und fließen in weitere Arbeiten zu politischen Förderinstrumenten und in die abschließende Publikation des Projektes ein. Das Projektteam bedankt sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das positive Feedback und die anregende Diskussion.